Hubertusverehrung
Hubertus als zweiter Pfarrpatron der Pfarrkirche St. Martinus stand in Zons besonders im 18. und 19. Jahrhundert als Schutzheiliger gegen die Tollwut in besonderer Verehrung. Menschen aus der Umgebung holten sich in Zons kirchlichen Rat und Hilfe gegen die Infektionskrankheit. Zudem wurde im 19. Jahrhundert in Zons jeweils am Hubertustag ein eintägiger Hubertus-Jahrmarkt veranstaltet. Die heutige St. Hubertus-Schützengesellschaft steht in der Tradition der Hubertus-Verehrung.
Hubertus von Lüttich und seine Verehrung
Hubertus wurde um 655 geboren. Er stand in enger verwandtschaftlicher Beziehung zu den Karolingern, also dem höchsten Adel. In jungen Jahren wurde er Schüler des heiligen Lambert, der das Bistum Tongern-Maastricht etwa von 672 an leitete. Kurz nach der Ermordung des Bischofs 703 wurde Hubertus zum Nachfolger bestimmt. Er war einer der bedeutenden Bischöfe der Merowingerzeit, der seine Aufgaben mit großer Hingabe erfüllte: Vor allem die Christianisierung und Missionierung der Ardennen und Brabants stehen mit seiner Person in Verbindung. Zwischen 716 und 725 erhob er Lüttich zum Bischofssitz, wohin er um 718 von Maastricht die Gebeine des heiligen Lambert übertrug. Hubertus starb angeblich bei einer Reise in Tervuren bei Brüssel am 30. Mai 727. Bereits kurze Zeit später kam es zu Wunderbeobachtungen an seinem Grab. Deshalb wurden die Gebeine am 3. November 743 gehoben und wieder beigesetzt. 825 brachte man die Knochen schließlich ins Benediktinerkloster Andain in den Ardennen. Das Kloster und der Ort wurden wenig später nach ihm benannt: Saint-Hubert. In diesem Ort, der bis heute der Mittelpunkt der Hubertusverehrung geblieben ist, wird noch die "heilige Stola" des Bischofs aufbewahrt. Die Gebeine des Heiligen gingen bei einer Plünderung der Abtei durch Hugenotten im Jahr 1568 verloren.
Heute ranken sich Legenden um das Leben des Hubertus, die ihren Ursprung vor allem im 15. Jahrhundert haben: An einem Feiertag soll er, anstatt in die Kirche zu gehen, auf die Jagd gegangen sein. Dabei begegnete ihm ein Hirsch, der zwischen dem Geweih das heilige Kreuz trug. Er vernahm gleichzeitig eine Stimme, die sagte: "Wenn du dich nicht zum Herrn bekennst in einem heiligmäßigen Leben, wirst du schneller in die Hölle hinabsteigen". Dadurch wurde er zu einem sehr frommen Christen und Schüler des heiligen Lambert.
Hinweise auf eine Hubertusverehrung finden sich im Rheinland bereits im 9. Jahrhundert. Er wurde in später einer der vier Marschälle Gottes (Antonius, Quirinus, Cornelius, Hubertus), die vor allem im ländlichen Raum sehr verehrt wurden. Alle vier waren Helfer gegen Krankheiten und Beschützer von Tieren. Hubertus, der einer der volkstümlichsten Heiligen war, wurde gegen die Tollwut und für den Schutz von Hunden angerufen. Auch war er bereits im 15. Jahrhundert Schutzheiliger der Jäger.
Der Hubertuskult hatte eine beachtliche Ausstrahlungskraft. Viele Rheinländer gingen auf die Pilgerreise nach Saint-Hubert. Das Datum der Hebung der Knochen des Heiligen, der 3. November, wurde zu seinem Festtag erklärt. An diesem Tag wurden ihm zu Ehren feierliche Hochämter abgehalten. Die Gründung des Hubertusordens 1444 durch Herzog Gerhard II. trug wesentlich zur Verbreitung der Verehrung bei. Der Orden wurde 1708 von Herzog Johann Wilhelm II. von Jülich-Berg, im Volksmund besser unter dem Namen "Jan Wellem" bekannt, erneuert.
Zweiter Pfarrpatron und Verehrung in Zons
1738 ist Hubertus laut dem Rheinischen Städteatlas Zons erstmals sicher als zweiter Patron der katholischen Pfarrkirche in Zons belegt.[1] Bemerkenswerterweise gab es in der näheren Umgebung keine weitere Kirche mit dem Hubertus-Patronat. Zons war somit, was den Hubertus Kult betrifft, wahrscheinlich regional von Bedeutung. Es mag auf den ersten Blick merkwürdig erscheinen, dass Hubertus als Nebenpatron bei den Zonsern viel beliebter war als der Hauptpatron Martinus. Doch da der Martinstag auch traditionell der Tag war, an dem der Bodenzins zu zahlen war, ist dies nicht weiter erstaunlich. Bezeichnenderweise gibt es in Zons eine "Martinusstraße" erst seit bundesrepublikanischer Zeit, eine "Hubertusstraße" jedoch länger: Dieser Name für die Straße, die von der Kirche zur nördlichen Stadtmauer führt, ist erstmals gegen Ende des 19. Jahrhunderts nachweisbar. Zuvor hieß diese Straße "Junkerstraße".
Außerdem sprechen einige gegenständlichen Quellen für eine besondere Verehrung des Heiligen in Zons: 1668 befand sich unter den Heiligen-Reliquien der Zonser Kirche auch ein Armknochen des Hubertus.[2] Wann und wie diese Reliquie, die nicht mehr vorhanden ist, in den Besitz der Pfarrkirche gekommen war, ist nicht bekannt. Dass es sich um eine echte Hubertus-Reliquie handelte, ist jedoch in Anbetracht der Menge von vermeintlichen Heiligenknochen, die in der Frühneuzeit in Umlauf oder Gebrauch waren, zweifelhaft. Heute besitzt die Pfarrkirche eine alte umgebaute Monstranz, in der sich mehrere kleine Hubertus-Reliquien befinden. Das Reliquiar, das in die Mitte des 17. Jahrhunderts datiert wird, spielt noch heute eine zentrale Rolle beim Hubertus-Hochamt.
Eine weitere Kostbarkeit im Besitz der Pfarrkirche, eine Monstranz, die laut Inschrift 1723 im Auftrag des Pfarrers Edmundus Schmitz angefertigt wurde, zeigt die figürlichen Darstellungen von Martinus und Hubertus – ein Hinweis darauf, dass Hubertus bereits zu diesem Zeitpunkt Nebenpatron gewesen sein wird. Es ist außerdem eine barocke, farbig gefasste Holzfigur des Heiligen mit Hirsch (Bekehrungsmotiv) erhalten geblieben. Sie hängt heute im nördlichen Seitenschiff der Kirche. Eine Glocke von 1751, die u.a. auch Hubertus geweiht war, ist hingegen nicht mehr vorhanden. Der Zonser Küster Schwieren erwähnt sie in seiner Chronik.[3]
Bereits 1670 wurde in Zons der Tag des Hubertus in besonderer Form mit Predigt und Abnahme der Beichte unter großer Beteiligung der Gläubigen kirchlich gefeiert.[4] Doch eine besonders herausragende Bedeutung bekam das Fest wohl erst 1775: In diesem Jahr gewährte Papst Pius VI. für die Zonser Pfarrkirche am Hubertustag sowie am Martinstag den vollkommenen Ablass. In der noch als Abschrift bzw. Druck erhalten gebliebenen Urkunde wird der Ablauf des Festtags genau beschrieben: Demnach fand morgens um 9 Uhr zunächst ein Hochamt mit Lobpredigt, im Anschluss die – zu diesem Zeitpunkt bereits traditionelle – Prozession mit Umhertragung der Hubertus-Reliquien in einer silbernen Monstranz statt. Nachmittags wurde dann die Vesper und um 17 Uhr das Komplet mit Absingen der Litanei vom heiligen Hubertus gehalten. Den Schluss bildete der sakramentalische Segen. Allen Personen, die diesen kirchlichen Veranstaltungen bis zum Abend andächtig beigewohnt, gebeichtet und die heilige Kommunion empfangen hatten, gewährte der Papst den vollkommenen Ablass ihrer Sünden.[5]
Die Pfarrkirche scheute ihrerseits keinen Aufwand, die Hubertusverehrung zu unterstützen und zu steigern. So ließ sie beispielsweise 1815 Hubertus-Andachtszettel drucken, und mindestens seit 1816 wurden jeweils am Hubertustag zwei geistliche Herren aus Köln zur Unterstützung geholt.[6] Letzteres spricht eindeutig für einen regen Besuch der Festveranstaltungen. In den Kirchenrechnungen der Pfarrei tauchen 1829 letztmals Ausgaben für den Hubertustag auf. Seit diesem Jahr scheint man ihn also zumindest in kirchlicher Hinsicht etwas weniger aufwendig gestaltet zu haben.
Denn mindestens seit 1817 wurde der Hubertustag in Zons auch als eintägiger Jahrmarkt veranstaltet.[7] Ein behördliches "Verzeichnis der Volksfeste" von 1824 nennt für das Gebiet der heutigen Stadt Dormagen neben dem "St. Agatha-Fest" in Straberg, dem "St. Norbert-Fest" in Knechtsteden und dem "Salvator-Fest" in Nievenheim auch das eintägige "St. Hubertus-Fest" in Zons.[8] Ein älterer Zonser (Johann Vianden, Jahrgang 1905) konnte aus Erzählungen glaubhaft wiedergeben, dass auf der Feldstraße, der heutigen Schloßstraße, zu dem Fest einige "Buden" aufgestellt waren, an denen man u.a. typische "Hubertus-Devotionalien" angeboten bekam. Der Jahrmarkt soll noch bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts üblich gewesen sein. Wahrscheinlich wurde der Tag nicht nur streng religiös gefeiert, sondern bot auch Anlass für "weltlichere Vergnügungen".
Bei den Festveranstaltungen des Hubertustages stand das Schutzpatronat des Heiligen gegen die Tollwut im Vordergrund: An den Buden wurden neben anderen Dingen auch Devotionalien wie Hubertus-Plätzchen und Hubertus-Riemchen verkauft, durch die sich die Gläubigen einen Schutz gegen die Krankheit erhofften. Die Plätzchen wurden am Hubertustag gesegnet. Bei den Riemchen handelte es sich um 20-30 cm lange und 0,5 bis 1 cm breite, rötlich oder bläulich gesprenkelte Schafslederstreifen, die man mit Hubertus-Reliquien in Kontakt gebracht oder gesegnet hatte. Sie wurden am Knopfloch oder am Hosenträger getragen. Im Kölner Raum war damals der Spruch gebräuchlich: "Wä sue Reemsche drät, weed nit vum Hongk gebesse." Auch Reiner Müller weist in der bekannten Edition der Delhoven'schen Chronik darauf hin, dass solche Riemchen in Zons verkauft wurden.[9]
Hinter diesem Aberglauben, so ist zu betonen, verbargen sich große Verzweiflung und Angst: die Angst vor einer qualvollen und unbedingt tödlichen Krankheit, der die Menschen und ihr Vieh so gut wie machtlos gegenüberstanden. Zwischen dem Biss durch ein wutkrankes Tier – in der Regel Hund, Fuchs oder Wolf – und dem Ausbruch der Krankheit konnten Wochen und Monate liegen. Da sich der kranke Mensch kurz vor dem Tod wie ein Irrer oder Geistesgestörter benahm, war man der Meinung, ein böser Geist habe ihn befallen. Der Geist werde weichen, so dachte man, wenn er mit einem geweihten Gegenstand in Berührung komme. Deshalb sah man es als besonders wirkungsvoll an, nach Saint-Hubert zu pilgern und sich "stolen" zu lassen: Ein Geistlicher machte einen kleinen Schnitt in die Stirn und setzte in die Wunde ein Fädchen von der Stola des heiligen Hubertus ein. Daraufhin hatte die Person 9 Tage lang eine schwarze Binde um den Kopf zu tragen.
Doch auch in Zons gab es noch eine ganze Reihe religiöser "Strategien" gegen die Krankheit: Außer den Hubertusplätzchen wurden auch Brot und Wasser gesegnet. Und es war in Zons auch der sogenannte Hubertusschlüssel in Gebrauch. Das war ein etwa 20 cm langes nagelartiges Eisen mit hölzernem Griff, das in einem flachen Kopf endete. Dieses Metallende, das "Hörnlein" genannt wurde, stellte ein von Tragschnüren gehaltenes Jagdhorn dar. Das Gerät, das man als eine Art Handstempel betrachten kann, galt als ein besonderer Gegenstand, denn es war in Saint-Hubert gesegnet und mit der heiligen Stola berührt worden. Wie dieser Schlüssel verwendet wurde, wird aus den folgenden Ausführungen deutlich.
1814 schrieb der Zonser Vikar Adam Ankenbrand einige Vorschriften nieder, die bei Tollwutverdacht eingehalten werden sollten. Für gebissene Personen galt demnach:
- "1. müssen sie neun Tage lang, täglich nüchtern ein bißchen gesegneten Brods u. ungefähr einen Eßlöffelgen gesegneten Wassers nehmen, 2. diese 9 Tage hindurch alle Tage 9 `Vater unser´ und `Gegrüßt seist du´ etc beten, oder statt deren eine hl. Messe zu Ehren des hl. Hubertus lesen lassen; 3. diese 9 Tage hindurch sich von Eiern und Schweinefleisch enthalten; – 4. Eben so lang allein schlafen; – 5. Jährlich des hl. Hubertus feiern und eine hl. Messe hören; – 6. Die angebissenen Kleider in fließendem Wasser durchziehen; – 7. Binnen diesen 9 Tagen einmal beichten und kommunizieren; – 8. Ihre erhaltene Befreiung, wenn möglich, durch ein Zeugnis ihres Herrn Pastoren hierhin schicken, oder dahier selbst bezeugen."
Der letzte Punkt ist bemerkenswert. Erstens zeigt er zweifelsfrei, dass die Vorschriften nicht nur für Angehörige der Pfarrgemeinde, sondern auch für Auswärtige niedergeschrieben worden waren, die in Zons Rat suchten. Zweitens erschöpfte sich die Fürsorge nicht damit, diese Vorschriften bloß weiterzugeben, sondern sie ging weit darüber hinaus: Das Zonser Pfarramt hatte Interesse am weiteren Krankheitsgeschehen und legte Wert darauf, nach Möglichkeit ein kirchliches Zeugnis über die "Befreiung" von der Krankheit zu erhalten bzw. dieses selbst auszustellen. Dies entsprang sicherlich teils statistischem Interesse bzw. dem Interesse an der Außendarstellung des eigenen Erfolgs. Es zeigt aber auch, dass sich die örtliche Geistlichkeit nicht nur in einer beratenden Rolle sah, sondern gleichzeitig den Anspruch erhob, eine Einrichtung religiöser Gesundheitsfürsorge von regionaler Bedeutung zu führen. Eine Reihe von Quellen belegt, dass die örtliche Geistlichkeit diese Bedeutung auch in den Augen der ländlichen Bevölkerung der Umgegend hatte.
Ein erstes Beispiel liefern die Aufzeichnungen des Dormagener Chronisten Johann Peter Delhoven: Er erwähnt einen Fall im April 1786, in dem ein 15-jähriger Junge aus Dormagen an der Tollwut erkrankte und verstarb. Während seines Todeskampfes sei dessen "ganze Haushaltung" nach Zons gegangen, um Rat zu holen, der Dormagener "Herr Pastor achtet[e] dies aber für überflüssig". Delhoven berichtet mehrfach über tollwütige Hunde und von ihnen gebissene Menschen und Tiere. Daran ist ablesen, wie gegenwärtig die Gefahr für die Menschen in früheren Zeiten war. Im Januar 1785 setzten die Dormagener Schöffen fest, dass jeder, der einen frei herumlaufenden Hund tötete, einen Reichstaler zur Belohnung erhielt. Diese hatte der Besitzer des Hundes neben der Brüchtenstrafe zu zahlen.[10]
Stand ein Tier unter Tollwutverdacht, war laut den Zonser Richtlinien von 1814 Folgendes zu beachten:
- "1. Ein gebißenes Vieh muß gleich mit dem Schlüssel des hl. Hubertus auf die Wunde oder auf die Stirne gebrannt werden; – 2. Neun Tage lang, alle Tage 9 `Vater unser´ und 9 'Ave Maria' gebetet werden, oder: an deren statt kann man eine hl. Messe zu Ehren des hl. Hubertus lesen lassen; es gilt hierbei gleich, ob ein oder mehrere Stück gebißen worden, das Gebet braucht darum nicht verdoppelt zu werden. – 3. Neun Tage lang soll dem Vieh von dem gesegneten Brot und Wasser täglich etwas gegeben werden".[11]
In Zons ist ein weiteres verbreitetes "Mittel" gegen die Tollwut nachzuweisen: die Namengebung.[12] So erhofften sich die Eltern dadurch, dass sie ihrem Kind den Namen Hubert bzw. Hubertine als Erst- oder Zweitnamen gaben, dass es den besonderen Schutz des Heiligen gegen die Infektionskrankheit hatte. Man kann aus der relativen Häufigkeit des Namens im Geburten- bzw. Taufregister somit Rückschlüsse auf die Verehrung des Heiligen ziehen. Im 18. Jahrhundert war der Vorname Hubert bzw. Hubertine in der Zonser Pfarrgemeinde noch extrem selten. Etwa seit 1810 nahm die relative Häufigkeit deutlich zu, um 1851 mit erstaunlichen 35 % den Höchststand zu erreichen: Mittlerweile war es in zahlreichen Familien selbstverständlich geworden, ganzen Geschwisterreihen den zweiten Vornamen zu geben. Danach nahm die Häufigkeit bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts zwar ab, blieb jedoch – im Vergleich zu anderen Orten – immer noch relativ hoch. Dabei ist zu bedenken, dass in diesen Zahlen auch die Stürzelberger enthalten sind, die ihren Kindern weitaus seltener den Namen gaben. Für Zons selbst ist der Anteil also noch wesentlich höher. Zweifelsohne verschwand die ursprüngliche Bedeutung der Namensgebung mit der Zeit aus dem Bewusstsein der Bewohner, und es entstand eine bloße Gewohnheit. Zu denken ist auch an den Brauch, dem Täufling den Namen der Patin bzw. des Paten zu geben, wodurch sich bestimmte Vornamen innerhalb der Familie "vererbten". Sogar noch gegen Ende des 20. Jahrhunderts gab es alteingesessene Zonser Familien, die diese Tradition pflegten und den Vornamen weitergaben.
In der Rhein- und Ruhrzeitung (Duisburg) vom 28. Mai 1861 (Nr. 123) findet sich ein interessanter Artikel, der auf die zu der Zeit im Raum grassierende Tollwut eingeht. Hierin wird auch Kritik daran geübt, dass die gläubige ländliche Bevölkerung statt ärztlichen Rats kirchlichen Rat in Zons hole:
- "Seit Jahren nicht hat es sich ereignet, daß die Hunde so häufig von der Tollwuth befallen worden, wie dies seit einigen Monaten der Fall ist, wo in unserer Gegend ein Mal um das andere, heute in dieser, morgen in jener Gemeinde, plötzlich ein Hund von der Wuth befallen wird, dann in Folge des Bisses die besten Wacht-, Jagd-, Schützen- und Karrenhunde zum Nachtheil der Eigenthümer erschossen und die übrigen zur großen Belästigung derselben festgelegt werden müssen, ja leider – wie kürzlich in der Bürgermeisterei Dormagen – Menschen gebissen und diesen dadurch fürchterliche Leiden und ein entsetzliches Ende in Aussicht gestellt werden. – Sollten diese Vorfälle nicht ernste Veranlassung bieten, das Hundegeschlecht, wo es in eben so zahlreichen, als entarteten und gründlich überflüssigen, nur zur Belästigung des Publikums lebenden, in den Straßen, den Feldern und Wäldern ungebunden sich ergehenden und ergötzenden Exemplaren vorhanden ist, nachdrücklich zu dezimiren und zu diesem Zwecke vor Allem die Hundesteuer allgemein einzuführen, gegen welche leider aus persönlichen Rücksichten in den Landgemeinden eine bedauerliche Abneigung sich kundgiebt, obgleich die Steuer selbst überdies einen erwünschten Beitrag zur Befriedigung der Bedürfnisse der Armen bietet. Zu beklagen ist dabei außerdem, daß die hiesigen Landbewohner, wenn sie von wüthigen Hunden gebissen sind, keineswegs sofort ärztliche Hülfe nachzusuchen pflegen, sondern, wie man sagt, kirchlicher Mittel, namentlich der Heilkraft des angerufenen Schutzheiligen Hubertus zu Zons, sich bedienen sollen und dabei den Arzt abweisen. Ohne jene Heilkraft hier in Zweifel ziehen zu wollen, müssen wir doch im allgemeinen Interesse wünschen, daß die ärztliche Behandlung mit ihr Hand in Hand gehe."
Das allgemeine Hubertus-Brauchtum verlor ganz wesentlich an Bedeutung, nachdem in den 1880er Jahren der Tollwuterreger entdeckt und kurz darauf ein Impfstoff entwickelt werden konnte. Die 1898 gegründete Zonser St. Hubertus-Schützengesellschaft knüpft mit ihrem Patronat an die lange Tradition der Hubertusverehrung in Zons an. Hubertus galt und gilt auch als Schutzheiliger der Schützen und Jäger.
Anmerkungen und Belege
- ↑ RhStAZ , S. 10.
- ↑ PfAZ, Nr. 557.
- ↑ Schwieren-Chroniken , <265>.
- ↑ PfAZ, Nr. 492, unpagin.
- ↑ PfAZ, Nr. 20.
- ↑ PfAZ, Nr. 1032 ff.
- ↑ RhStAZ , S. 6.
- ↑ LAV_NRW_R, LA Neuss 568.
- ↑ Hermann Cardauns/Reiner Müller: Die Rheinische Dorfchronik des Joan Peter Delhoven aus Dormagen 1783-1823 , Dormagen 1967, S. 37, Anm. 67.
- ↑ Rheinische Dorfchronik, p. 17, 20, 39f., 402.
- ↑ PfAZ, "Benedictiones Salis, Panis et Aquae antiquissimae in Ecclesia parochiali S. Martini et Huberti in Zons" (1814).
- ↑ Vgl. hierzu und zu den anderen "Wundermitteln" gegen die Tollwut den Artikel "Hubert" in: Hanns Bächtold-Stäubli (Hg.): "Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Bd. 4", Berlin/New York (4. Aufl.) 2000, Sp. 425-434.