Pfarrkirche St. Martinus (alte)

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Die alte katholische Pfarrkirche St. Martinus, ein dreischiffiger gotischer Bau, wurde 1408 geweiht und 1876 für den heutigen neugotischen Neubau, der 1876-1878 nach den Plänen von Vinzenz Statz errichtet wurde, abgebrochen. Teile der alten Pfarrkirche wurden in die heutige Pfarrkirche überführt.

Baukörper, Einrichtung und Details

Bautyp

Die Kirche war ein fünfachsiger und dreischiffiger gotischer Bau mit einem kleinen, wohl dreigeschossigen, eingezogenen Westturm, einem niedrigen Dachreiter und einem kleinen südlichen Querschiff.[1] Es ist nur eine einzige Abbildung bekannt: eine Lithografie aus dem Jahr 1857[2], die heute leider im Original verschollen ist.[3] Die Abbildung zeigt die Südseite der Kirche mit dem 1770 errichteten Pfarrhaus daneben.

Altäre und Altarbilder

Bereits im 15. Jahrhundert sind Nebenaltäre zu Ehren des heiligen Antonius (1471) und der heiligen Maria (ULF-Altar, vor 1483) belegt.[4] Anfang der 1820er Jahre befanden sich inklusive Hauptaltar drei Altäre in der Kirche. Der Erhaltungszustand der beiden Seitenaltäre war zu diesem Zeitpunkt so schlecht, dass sich der Kirchenvorstand für einen Abbruch derselben und die Anschaffung zweier neuer Seitenaltäre entschied: Die beiden alten Altäre bestanden in einem steinernen Tisch, zwei hölzernen Säulen und einem darauf befindlichen Gesims. Mittig war bei beiden Altären ein Ölgemälde angebracht: das eine St. Sebastianus, das andere die heilige Familie darstellend. Mit dem Abbruch der Altäre wurden die Ölgemälde renoviert und in der Kirche aufgehängt.[5] Beide Gemälde sind erhalten geblieben und befinden sich in der heutigen Pfarrkirche.

Das Altarbild des St. Sebastianus-Altars zeigt das Martyrium des Sebastianus, angebunden an einen Baum, von numidischen Bogenschützen beschossen. Der Altar war der Bruderschaftsaltar der örtlichen St. Sebastianus-Schützenbruderschaft, die mindestens seit der Mitte des 15. Jahrhunderts bis um 1800 existierte.

Der Kirchenvorstand entschied sich in dieser Zeit auch für die Entfernung des Hochaltars, da dieser – von plumpem, ungefalligem Äußern, blos von Holz, unangestrichen und oben mit einer ungestalten Vorstellung des göttlichen Vaters versehen – in einem unschönen Kontrast zu den neu anzuschaffenden Seitenaltären gestanden hätte.[6] Dieser Altar war erst um 1816 angeschafft worden.[7] 1821 schloss der Kirchenvorstand mit dem Vergolder Carl Kamberger aus Düsseldorf einen Kontrakt zur Lieferung von drei neuen Altären und zwei Chorstühlen ab. Das Vorhaben zog sich über einige Jahre hin, denn einige Zeit nach der Auftragsvergabe schrieb Kamberger an den Kirchenvorstand, der Preis sei zu niedrig angesetzt, und er könne zu diesem Preis nicht liefern. Hierauf entwickelte sich ein reger Schriftverkehr (weit über 100 Schreiben), es gab Verhandlungen und Verfügungen zwischen Kirchenvorstand, der geistlichen Behörde, dem Landrat Neuss und der Regierung in Düsseldorf, woraufhin schließlich auf Veranlassung der Regierung ein Vergleich zustande kam: Demnach hatte der Kirchenvorstand an Kamberger an festgesetzten Terminen insgesamt 5.000 Taler Preußisch Courant zu zahlen. Erzbischof Ferdinand August genehmigte diesen Vergleich im Februar 1830. Da die Kirchenkasse diesen Betrag nicht hergab, musste man Hypotheken auf Kirchengrundstücke aufnehmen.[8] 10 Jahre nach der Auftragsvergabe, 1831, war die Angelegenheit damit erledigt.

Über den neuen Hochaltar sind folgende Details überliefert: Er bestand in seinem oberen Teil aus vier Säulen und Kapitälen. In der Mitte befand sich eine hölzerne Statue der unbefleckten Jungfrau Maria mit Sternenkranz um das Haupt, auf einer Kugel stehend, um welche sich eine Schlange wand.[9] Von den beiden von Kamberger gelieferten Seitenaltären war einer der heiligen Odilia, einer dem heiligen Rochus geweiht. Die Figur der Odilia hielt ursprünglich einen kleinen Krug (Tränenkrüglein) in der rechten Hand (heute nicht mehr vorhanden), in der Linken ist der Äbtissinnenstab mit Krümme noch vorhanden. Der Pestpatron Rochus ist figürlich mit Rochusstab und Hund dargestellt. Hauptaltar und Seitenaltäre wurden 1878 in die neue Pfarrkirche überführt.

Orgel

Über die Kirchenorgeln der Pfarrkirche vor dem 19. Jahrhundert ist wenig bekannt. 1784 ist die vorhandene Orgel durch Max Schuten aus Jüchen renoviert worden[10], und 1793 wurde sie ausgeputzt und neu gestimmt.[11] 1847 wurde die Kirchenorgel verkauft, um eine neue anzuschaffen: Die neue Orgel wurde noch im selben Jahr geliefert und eingebaut, angefertigt durch die Gebrüder Müller aus Reifferscheid (Orgel) und den Bildhauer C. Stephan aus Köln (Orgelkasten). Sie wurde 1878 in die neue Kirche überführt.[12] Wesentliche Teile der heutigen Kirchenorgel gehen noch auf diese zurück.

Glocken

Grabplatten (Epitaphe)

Wie allgemein üblich, sind besonders angesehene und vermögende Bewohner der Stadt in der Pfarrkirche begraben worden. Von den ehemals vorhandenen Grabplatten (Epitaphen) ist nur eine erhalten geblieben: die der Mechthilde Judde aus dem Jahr 1518. Diese ist heute am Fuße des Juddeturms angebracht.

Schlussstein

Im oberen Bereich der Chorwand befand sich ein Stein mit dem Saarwerdenschen Wappen (Doppeladler). Der Stein erinnerte an Erzbischof Friedrich von Saarwerden, in dessen Regierungszeit die Kirche errichtet worden ist. Dieser Stein wurde in den Bau der heutigen Pfarrkirche als Schlussstein im Mittelgewölbe integriert. Ursprünglich zeigte er einen weißen Doppeladler auf schwarzem Feld. Im 20. Jahrhundert wurde der Stein mehrfach farblich verändert.

Kirchturmhahn

Der Kirchturmhahn aus dem Jahr 1818 ist erhalten geblieben. Er befindet sich heute in der Zonser Tourist-Info an der Schloßstraße. Über seine Fertigung und Anbringung berichtet der Zonser Küster Johannes Hermann Schwieren in seiner Chronik einige Details: So hat der Zonser Dachdecker Ludwig Wassenberg (1785-1842) den alten Hahn am 15. Mai 1818 heruntergenommen, da er "abstendig", also nicht mehr im Lot, war. Den neuen Hahn hat der Zonser Schlosser Lambert Schimmelpfennig (1793-1846) gemäß dem früheren Hahn gefertigt, wofür er 2 Kronen erhielt (obwohl er 3 verlangte), und der Hahn ist dann in Neuss bei Meister Schürenberg für 3 weitere Kronen vergoldet worden.[13]

Beschädigungen durch Stadtbrände und Kriege

Immer wieder ist die Kirche im Laufe der Jahrhunderte durch Feuer (Stadtbrände des 15.-17. Jahrhunderts) und Krieg (Belagerung Ende des Dreißigjährigen Krieges) beschädigt worden, insbesondere an Dach und Gewölbe. Durch die schweren Stadtbrände 1547 und 1620 ist die Kirche sehr stark beschädigt worden. Die Wiederherstellungsfrage führte zu Differenzen zwischen dem Kloster Brauweiler und dem Kölner Domkapitel. Ersteres fühlte sich nicht zuständig, da Zons nur Filialkirche sei. Und das Domkapitel sah das Kloster Brauweiler in der Pflicht, da es die Kirchenrechte in Zons besaß. Nach dem Stadtbrand 1547 endete die Auseinandersetzung damit, dass das Domkapitel die Hauptlast des Wiederaufbaus trug, nach 1620 musste die Kirche von der Abtei bzw. dem Pfarrer in Zons auf eigene Kosten wiederhergestellt werden, da das Domkapitel nichts beisteuerte.[14] Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass der Glockenturm erst 1630 erneuert und die größte Glocke, die bei dem Brand zerstört worden ist, in dem Jahr neu gegossen wurde.[15] Noch Mitte des 18. Jahrhunderts konnte der Küster Johannes Peter Schwieren die Spuren der Stadtbrände an der Kirche feststellen.[16]

Erweiterungs- und Neubaupläne, Abbruch

Erweiterungsplan durch Vinzenz Statz 1850/51

1850/51 setzte sich der Kölner Baumeister Vinzenz Statz für eine Erweiterung der Kirche nach Osten ein. Hierbei sollte der alte Baukörper weitgehend erhalten bleiben. Dieses Projekt wurde nicht durchgeführt, da es an den hohen Baukosten von 15.000 Talern scheiterte. Auf Wunsch des Kirchenvorstands legte Statz schließlich gegen seine eigene Überzeugung 1872 den Plan für den heutigen Kirchenneubau im neugotischen Stil vor, der schließlich genehmigt wurde.[17]

Abbruch der Kirche für die heutige, größere Pfarrkirche

Mit dem Abbruch der Pfarrkirche wurde am 26. Mai 1876 begonnen. Der Abriss dauerte keine drei Monate, und so konnte bereits am 18. August 1876 die Grundsteinlegung für den Neubau erfolgen.[18]


Belege

  1. Karl Emsbach/Max Tauch, Kirchen, Klöster und Kapellen im Kreis Neuss (= Schriftenreihe des Kreises Neuss, Nr. 13), Köln 1986, S. 34.
  2. Die Lithografie war Teil eines Gedenkblatts mit dem Titel Abbildung der h. Mutter Gottes in Zons, das anlässlich der Wiedereinführung der "Wundermadonna" in die Pfarrkirche 1857 entstanden ist: Paul Clemen, Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Bd. 3,3: Kreis Neuss, Düsseldorf 1895, S. 113.
  3. Die Abbildung findet sich u.a. abgedruckt in: GStAZ, zwischen S. 64 und 65. Dort wird die "Landesbildstelle Rheinland" als Quelle angegeben. Auf Nachfrage konnte die Nachfolgeeinrichtung, das LVR-Zentrum für Medien und Bildung in Düsseldorf, die Lithografie nicht ausfindig machen.
  4. Aenne Hansmann/ Margret Wensky, Rheinischer Städteatlas Zons, Lieferung IV, Nr. 25, 2. verb. und erg. Aufl. Köln 1990, S. 10.
  5. PfAZ, Nr. 6, p. 98-99.
  6. PfAZ, Nr. 6, S. 99.
  7. LAV_NRW_R, Regierung Düsseldorf 4355, unpagin.
  8. PfAZ, Nr. 6, S. 99f.
  9. PfAZ, Nr. 6, S. 100.
  10. Thomas Schwabach, Die Schwieren-Chroniken aus Zons. Bemerkenswertes aus einer niederrheinischen Kleinstadt und ihrer Umgebung 1733-1823 (= Veröffentlichungen des Kreisheimatbundes Neuss e.V. Nr. 15), Köln 2005, <493>
  11. Thomas Schwabach, Die Schwieren-Chroniken aus Zons. Bemerkenswertes aus einer niederrheinischen Kleinstadt und ihrer Umgebung 1733-1823 (= Veröffentlichungen des Kreisheimatbundes Neuss e.V. Nr. 15), Köln 2005, <495>.
  12. PfAZ, Nr. 432.
  13. Thomas Schwabach, Die Schwieren-Chroniken aus Zons. Bemerkenswertes aus einer niederrheinischen Kleinstadt und ihrer Umgebung 1733-1823 (= Veröffentlichungen des Kreisheimatbundes Neuss e.V. Nr. 15), Köln 2005, <1166>. Bei seiner Arbeit fand der Dachdecker Wassenberg zufällig das kostbare Pektorale (Brustkreuz des Pfarrers), das der Küster Johannes Hermann Schwieren mit vielen anderen wertvollen Kirchenkleinodien aus Angst vor Plünderungen durch die herannahenden Franzosen am 5. Oktober 1794 auf dem Dachstuhl der Kirche versteckt und Jahre später vergeblich gesucht hatte. Doch anstatt seinen Fund zu melden, brach er die Teile des Kreuzes auseinander und versuchte, den daran befindlichen goldenen Kranz mit Laubwerk und dem Bildnis des heiligen Martinus bei einem Goldschmied in Düsseldorf zu verkaufen. Daraufhin wurde er mit seiner Frau verhaftet. Ende 1818 holte der Küster im Auftrag des Kirchenvorstands die auseinander gebrochenen Silberteile beim Gericht in Düsseldorf ab. Anschließend ließ er die Teile beim Goldschmied Sitman in Köln wieder zusammensetzen.
  14. Gundolf Meyer, St. Martinus Zons, Dormagen 1978, S. 5.
  15. Thomas Schwabach, Die Schwieren-Chroniken aus Zons. Bemerkenswertes aus einer niederrheinischen Kleinstadt und ihrer Umgebung 1733-1823 (= Veröffentlichungen des Kreisheimatbundes Neuss e.V. Nr. 15), Köln 2005, <433>-<434>.
  16. Schwieren schreibt 1751, dass die noch vorhandenen Brandspuren im Gebälk von den verheerenden Bränden zeugten. Thomas Schwabach, Die Schwieren-Chroniken aus Zons. Bemerkenswertes aus einer niederrheinischen Kleinstadt und ihrer Umgebung 1733-1823 (= Veröffentlichungen des Kreisheimatbundes Neuss e.V. Nr. 15), Köln 2005, <258>.
  17. Karl Emsbach/ Max Tauch, Kirchen, Klöster und Kapellen im Kreis Neuss (= Schriftenreihe des Kreises Neuss, Nr. 13), Köln 1986, S. 34.
  18. LAV_NRW_R, Nachlass Eschbach, Nr. 5.